(Kiel) Der Bundesgerichtshof hat soeben entschieden, dass eine Klausel in Allgemeinen Versicherungsbedingungen einer fondsgebundenen Rentenversicherung nach dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz (sog. Riester-Rente), die den Versicherer zur Herabsetzung des im Versicherungsschein genannten Rentenfaktors und dadurch der bei Rentenbeginn zu zahlenden monatlichen Rente berechtigt, ohne ihn zugleich im Fall einer nachträglichen Verbesserung der Umstände zu deren Wiederheraufsetzung zu verpflichten, wegen Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 und § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam ist.

Darauf verweist die Gießener Fachanwältin für Versicherungsrecht Katja Knabel von der DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. in Kiel unter Hinweis die Mitteilung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu seinem Urteil vom 10. Dezember 2025 – IV ZR 34/25.

  • Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf:

Der beklagte Versicherer bietet fondsgebundene Rentenversicherungen nach dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz (sog. Riester-Renten) an. Aus den von den Versicherungsnehmern gezahlten Versicherungsprämien und den erzielten Überschüssen erwirbt er Kapitalanlagen (Fondsanteile), die er dem jeweiligen Versicherungsvertrag zuordnet. Die ab Rentenbeginn auszuzahlende Rente ermittelt sich anhand eines im Versicherungsschein genannten Rentenfaktors. Dieser basiert auf dem vom beklagten Versicherer zugrunde gelegten Rechnungszins und der von ihm angenommenen Lebenserwartung der Versicherten (sog. Rechnungsgrundlagen) und gibt die Höhe der monatlichen Rente an, die für je 10.000 € Policenwert, dem Wert der auf den jeweiligen Versicherungsvertrag entfallenden Fondsanteile, gezahlt wird.

Die vom beklagten Versicherer in seinen Verträgen zwischen Juni und November 2006 verwendeten Allgemeinen Versicherungsbedingungen enthielten unter anderem folgende Klausel:

„Wenn aufgrund von Umständen, die bei Vertragsabschluss nicht vorhersehbar waren, die Lebenserwartung der Versicherten sich so stark erhöht oder die Rendite der Kapitalanlagen (siehe § 25 Abs. 1 e Satz 4) nicht nur vorübergehend so stark sinken sollte, dass die in Satz 1 genannten Rechnungsgrundlagen voraussichtlich nicht mehr ausreichen, um unsere Rentenzahlungen auf Dauer zu sichern, sind wir berechtigt, die monatliche Rente für je 10.000 € Policenwert so weit herabzusetzen, dass wir die Rentenzahlung bis zu Ihrem Tode garantieren können.“

Unter Berufung auf diese Klausel hat der beklagte Versicherer den Rentenfaktor in den betroffenen Versicherungsverträgen in der Vergangenheit mehrfach herabgesetzt. Der Kläger, ein als qualifizierter Verbraucherverband im Sinne von § 4 Abs. 1 UKlaG eingetragener Verein, hält die Klausel wegen unangemessener Benachteiligung der Versicherungsnehmer für unwirksam. In den Vorinstanzen hat er beantragt, dem beklagten Versicherer bei Vermeidung von Ordnungsmitteln zu untersagen, sich gegenüber Verbrauchern auf die beanstandete oder eine inhaltsgleiche Klausel in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit fondsgebundenen Rentenversicherungsverträgen zu berufen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert und dem beklagten Versicherer unter Androhung von Ordnungsmitteln ein Berufen auf die beanstandete oder eine inhaltsgleiche Klausel gegenüber Verbrauchern im Zusammenhang mit fondsgebundenen Rentenversicherungsverträgen sowie die Verwendung inhaltsgleicher Bestimmungen in sonstiger Weise in Allgemeinen Geschäftsbedingungen untersagt. Mit seiner Revision erstrebt der beklagte Versicherer die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

  • Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat die Revision des beklagten Versicherers gegen das Urteil des Berufungsgerichts im Wesentlichen zurückgewiesen. Er hat allerdings die Untersagung – wie vom Kläger beantragt – auf ein Berufen auf die beanstandete oder eine inhaltsgleiche Klausel beschränkt und die darüberhinausgehende Untersagung der Verwendung inhaltsgleicher Bestimmungen in sonstiger Weise in Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht aufgehoben.

Davon abgesehen hält das Berufungsurteil einer rechtlichen Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat zu Recht einen Untersagungsanspruch aus § 1 UKlaG bejaht. Die beanstandete Klausel ist als Allgemeine Geschäftsbedingung wegen Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 und § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

Sie gewährt dem beklagten Versicherer durch die vorgesehene Herabsetzung des Rentenfaktors ein einseitiges Recht zur Neubestimmung der dem Versicherungsnehmer versprochenen Leistung im Sinne von § 308 Nr. 4 BGB. Die Vereinbarung der Änderung ist den Versicherungsnehmern, auch unter Berücksichtigung der Interessen des beklagten Versicherers, nicht zumutbar. In der fondsgebundenen Lebensversicherung kann ein Versicherer zwar angesichts der Langfristigkeit der abgeschlossenen Versicherungsverträge nach Vertragsschluss auftretende Störungen im Verhältnis von versprochener Versicherungsleistung zu den Kapitalerträgen, die aus der Versicherungsprämie am Markt zu erwirtschaften sind, nicht vermeiden. Unzumutbar ist das Anpassungsrecht aber, wenn der Versicherer – wie hier – nur zu einer Herabsetzung der versprochenen Leistung berechtigt und nicht zugleich im Fall einer nachträglichen Verbesserung der Umstände zu deren Wiederheraufsetzung verpflichtet ist. Insoweit gilt das sog. Symmetriegebot. Es verpflichtet den Versicherer, der den Rentenfaktor aufgrund von Verschlechterungen der Umstände herabgesetzt hat, spätere Verbesserungen der Umstände in vergleichbarer Weise an die Versicherungsnehmer weiterzugeben. Etwas anderes folgt auch nicht aus § 163 Abs. 1 und 2 VVG, denn dieser Vorschrift ist kein Maßstab für die Inhaltskontrolle eines in den Versicherungsbedingungen einer fondsgebundenen Rentenversicherung enthaltenen Rechts des Versicherers zur Herabsetzung des Rentenfaktors zu entnehmen.

Die Interessen der Versicherungsnehmer werden auch nicht auf andere Weise in einem Umfang gewahrt, dass ein Recht auf Wiederheraufsetzung des Rentenfaktors in den Versicherungsbedingungen entbehrlich wäre. Zwar führt eine positive Entwicklung der Kapitalanlagen zu Überschüssen beim beklagten Versicherer, an denen die Versicherungsnehmer nach den Versicherungsbedingungen beteiligt werden. Es steht aber nicht fest, dass diese Überschussbeteiligung einen ausreichenden Umfang erreicht, denn die Überschüsse hängen von Unternehmenskennzahlen des beklagten Versicherers ab und dürfen erst nach Abzug eines auf ihn entfallenden Anteils an die Versicherungsnehmer verteilt werden. Keinen genügenden Ausgleich schafft auch die in den Versicherungsbedingungen vorgesehene Möglichkeit der Versicherungsnehmer, einmalige Zuzahlungen auf ihre Versicherungsprämien zu leisten oder dauerhaft eine erhöhte Prämie zu zahlen. Die Höhe dieser Zahlungen ist nach den Versicherungsbedingungen mit Blick auf die steuerliche Förderung der Versicherung beschränkt. Schließlich kann auch eine – in der Vergangenheit vom beklagten Versicherer im Zusammenhang mit der Herabsetzung des Rentenfaktors stets abgegebene – Zusicherung gegenüber den Versicherungsnehmern, zu Rentenbeginn den Rentenfaktor bei verbesserten Umständen nach oben anzupassen, die Benachteiligung nicht ausgleichen. Die beanstandete Klausel sieht keine Verpflichtung des beklagten Versicherers zur Abgabe einer solchen Erklärung vor, so dass nicht sichergestellt ist, dass er sich auch bei zukünftigen Herabsetzungen des Rentenfaktors entsprechend erklären wird.

Aus diesen Gründen benachteiligt das Fehlen einer Verpflichtung des beklagten Versicherers zur Wiederheraufsetzung des Rentenfaktors die Versicherungsnehmer auch unangemessen entgegen den Geboten von Treu und Glauben, so dass die beanstandete Klausel auch wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam ist.

Rechtsanwältin Knabel empfahl, dies zu beachten und bei Fragen auf jeden Fall Rechtsrat einzuholen, wobei sie in diesem Zusammenhang u. a. auch auf die DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. – www.mittelstands-anwaelte.de  – verwies.

Für Rückfragen steht Ihnen zur Verfügung:

 

Katja Knabel

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht, Fachanwältin für Versicherungsrecht

Neuenweg 9
35390 Gießen

Telefon:  (0641) 39 999 46

Telefax:  (0641) 39 999 47

E-Mail:  kanzlei@ra-knabel.de

https://www.ra-knabel.de/