(Stuttgart) Eine muslimische Glaubensangehörige aus Neuss, die aus religiösen Gründen auch beim Führen eines Kraftfahrzeugs ihr Gesicht mit Ausnahme eines Sehschlitzes für die Augenpartie mit einem Gesichtsschleier in Form eines Niqabs bedecken möchte, hat keinen Anspruch auf Befreiung vom Verhüllungsverbot am Steuer. Die Bezirksregierung Düsseldorf muss aber über ihren Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung erneut entscheiden.
Darauf verweist der Moerser Fachanwalt für Straf- und Verkehrsrecht Bertil Jakobson, Vizepräsident des Verbandes deutscher Anwälte – VDA e.V. mit Sitz in Stuttgart sowie Leiter des Fachausschuss „Unfallregulierung“ – VdVKA – Verband Deutscher VerkehrsrechtsAnwälte e. V. in Kiel, unter Hinweis auf die Entscheidung des OVG NRW vom 5.07.2024 – 8 A 3194/21.
Zur Urteilsbegründung hat die Vorsitzende des 8. Senats ausgeführt: Die im Jahr 2017 in Kraft getretene Regelung der Straßenverkehrsordnung, nach der derjenige, der ein Kraftfahrzeug führt, sein Gesicht nicht so verhüllen oder verdecken darf, dass er nicht mehr erkennbar ist, ist verfassungsgemäß. Das Verhüllungs- und Verdeckungsverbot verfolgt den Zweck, die Erkennbarkeit und damit die Feststellbarkeit der Identität von Kraftfahrzeugführern bei automatisierten Verkehrskontrollen zu sichern, um diese bei Verkehrsverstößen heranziehen zu können. Außerdem schützt es die Rundumsicht des Kraftfahrzeugführers. Mit dieser Zielrichtung dient es dem Schutz hochrangiger Rechtsgüter (Leben, Gesundheit, Eigentum) anderer Verkehrsteilnehmer. Ein allgemeiner Vorrang der Religionsfreiheit vor diesen Rechtsgütern besteht nicht. Individuellen Belangen kann mit der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung Rechnung getragen werden.
Auf eine solche Ausnahmegenehmigung hat die Klägerin keinen unmittelbaren Anspruch. Die Entscheidung steht im Ermessen der Behörde. Allerdings hat die Bezirksregierung Düsseldorf das ihr eingeräumte Ermessen bei der Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung bislang nicht fehlerfrei ausgeübt. Deshalb muss sie über den Antrag nochmals entscheiden.
Bei ihrer Ablehnungsentscheidung hat die Behörde die Religionsfreiheit nicht hinreichend mit den für das Verbot sprechenden Belangen abgewogen. Zu Unrecht hat sie etwa darauf abgestellt, dass das Verhüllungs- und Verdeckungsverbot auch die nonverbale Kommunikation im Straßenverkehr sichert. Diese ist, soweit sie im Straßenverkehr überhaupt erforderlich ist, durch den Niqab nicht beeinträchtigt. Die Annahme der Behörde, dass ein Niqab die Rundumsicht beeinträchtigt, trifft in dieser Allgemeinheit nicht zu, wovon sich der Senat in der mündlichen Verhandlung, an der die Klägerin persönlich teilgenommen hat, überzeugen konnte. Zudem hat die Behörde alternative Möglichkeiten, um die Ziele des Verbots jedenfalls annähernd zu erreichen, wie etwa die Sicherstellung der Identifizierbarkeit der Klägerin durch ein Fahrtenbuch, bislang nicht hinreichend erwogen.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen kann Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht eingelegt werden.
Jakobson rät grundsätzlich – unabhängig von diesem Fall – in allen verkehrsrechtlich relevanten Fällen so früh wie möglich rechtlichen Rat in Anspruch zu nehmen, wobei er dabei u. a. auch auf die Rechtsanwälte/innen im VdVKA – Verband deutscher Verkehrsrechtsanwälte e. V. – www.vdvka.de – verwies.
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Bertil Jakobson
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Vizepräsident des VDA Verband deutscher Anwälte e. V.
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