Bundesarbeitsgericht stärkt nochmals die Rechte von Arbeitgebern

(Stuttgart) Ärztliche Atteste bei Krankschreibungen haben einen hohen Beweiswert. Dieser kann aber erschüttert sein, wenn sich der Arbeitnehmer nach einer Kündigung postwendend krankmeldet, so urteilte das Bundesarbeitsgericht nunmehr in einer aktuellen Entscheidung, die für die Praxis weitreichende Konsequenzen haben könnte.

Die arbeitsrechtliche Lage fasst der Hamburger Fachanwalt für Arbeitsrecht Prof. Dr. Michael Fuhlrott vom Verband Deutscher ArbeitsrechtsAnwälte (VDAA) zusammen. 

Erhöhter Krankenstand in der Winterzeit

In der kalten und nassen Jahreszeit nehmen Erkältungskrankheiten zu. Damit steigt auch die Zahl der Krankmeldungen in den Betrieben.

„Eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen von Arbeitsunfähigkeit kann mittlerweile auch wieder telefonisch eingeholt werden“, erläutert Arbeitsrechtler Prof. Dr. Michael Fuhlrott unter Verweis auf die seit 7. Dezember 2023 angepasste Regelung: „Die telefonische Krankschreibung, die im Rahmen der Corona-Pandemie erstmalig eingeführt worden ist, ist künftig dauerhaft möglich“.

Ein erkrankter Arbeitnehmer muss im Grundsatz auch keine Lohneinbußen befürchten und kann sich alleine auf seine Genesung konzentrieren. Denn nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) zahlt der Arbeitgeber im Falle einer Erkrankung bis zu sechs Wochen den Lohn an den arbeitsunfähigen Mitarbeiter weiter. Erst danach tritt die Krankenkasse ein und zahlt ein im Vergleich zum Gehalt gekürztes Krankengeld.

Beweis der Arbeitsunfähigkeit mittels ärztlichem Attest

Dass der Arbeitnehmer auch tatsächlich krank ist und nicht arbeiten kann, beweist dieser regelmäßig durch Vorlage eines ärztlichen Attests, der sog. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Diese hat einen hohen Beweiswert und kann vom Arbeitgeber nicht ohne weiteres angezweifelt werden.

Hiervon kann es aber Ausnahmen geben, wie die höchsten deutschen Arbeitsrichter nunmehr entschieden:

Ist die Krankschreibung unmittelbare Folge auf eine arbeitgeberseitige Kündigung oder reicht das ärztliche Attest passgenau bis zum letzten Tag des Arbeitsverhältnisses kann der Beweiswert entfallen, so urteilte das Bundesarbeitsgericht in einer aktuellen Entscheidung (Urt. v. 13.12.2023, Az.: 5 AZR 137/23).

Tritt eine solche Erschütterung des Beweiswerts ein, kann sich der Beschäftigte nicht mehr auf das Attest allein berufen. Ihn trifft dann die Darlegungslast, dass er tatsächlich krank war.

„Dazu muss der Mitarbeiter etwa weitere Unterlagen wie einen Arztbrief vorlegen, genauere Ausführungen zu seiner Diagnose und seinen Beschwerden machen oder den behandelnden Arzt von seiner Schweigepflicht entbinden und als Zeugen im Prozess benennen“, so Arbeitsrechtler Fuhlrott. 

Urteil kein Freifahrtschein, aber Stärkung für Unternehmen

„Die Entscheidung ist sicherlich kein Freifahrtschein für Unternehmen, nunmehr bei Krankschreibungen nach einer Kündigung die Lohnfortzahlung einzustellen“, meint Arbeitsrechtler Michael Fuhlrott, auch wenn Unternehmen künftig bei Krankmeldungen im Zusammenhang mit Kündigungen sicherlich genauer hinsehen werden.

Nach dem Bundesarbeitsgericht bedarf es zur Annahme einer Erschütterung bestimmter Umstände:

„Das kann etwa eine Krankmeldung unmittelbar nach Ausspruch einer Kündigung sein, insbesondere, wenn das Ende der Krankschreibung passgenau mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses zusammenfällt und der Arbeitnehmer für den neuen Job am nächsten Tag wieder arbeitsfähig ist“, so Arbeitsrechtsprofessor Fuhlrott. 

Einzelfall bleibt weiterhin maßgeblich

Nach dem Bundesarbeitsgericht ist eine Erschütterung ebenfalls möglich, wenn der Arbeitnehmer zunächst ein Attest einreicht und diese Krankschreibung dann weiter bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses verlängert. Nach dem Gericht ist es unerheblich, ob die Kündigung vom Arbeitgeber oder Arbeitnehmer ausgesprochen wird.

„Die Umstände des Einzelfalls bleiben aber weiterhin maßgeblich und sind vom Arbeitsgericht bei Streitigkeiten zu berücksichtigen. Das Urteil wird sicherlich dazu führen, dass derartige Fälle künftig die Gerichte in großem Maße beschäftigen werden“, mutmaßt der Hamburger Arbeitsrechtler.

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