Landessozialgericht Bayern stuft Fitnesstrainer als sozialversicherungspflichtig ein

(Stuttgart) Wer als Kurstrainer in einem Fitnessstudio tätig ist, ist regelmäßig nicht als freier Mitarbeiter tätig. Damit sind zum einen Sozialversicherungsabgaben zu entrichten, zum anderen greift der gesamte arbeitsrechtliche Schutz: Bezahlter Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder Kündigungsschutz können ebenfalls geltend gemacht werden. Bei einer Betriebsprüfung drohen in einem solchen Fall erhebliche Nachforderungen, die sich für Unternehmen als existenzbedrohend darstellen können.

Eine Einschätzung der aktuellen Entscheidung gibt der Hamburger Fachanwalt für Arbeitsrecht Prof. Dr. Michael Fuhlrott vom Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e.V. (VDAA). 

Sozialversicherungspflicht abhängig Beschäftigter

Für Arbeitnehmer, also abhängig Beschäftigte, sind Sozialversicherungsabgaben durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu entrichten. Verantwortlich für die Zahlung dieser Beiträge ist aber allein der Arbeitgeber: „Beitragsschuldner im Außenverhältnis ist allein der Arbeitgeber. Dieser ist gegenüber den Sozialversicherungsträgern für die Abführung der Beiträge zur Kranken-, Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung verantwortlich“, erläutert Arbeitsrechtler Prof. Dr. Michael Fuhlrott.

Freie Mitarbeiter hingegen stellen Rechnungen und sorgen selbst für ihren Versicherungsschutz. Der Staat geht bei Sozialabgaben damit „leer“ aus. Daneben greift für Arbeitnehmer, anders als für freie Mitarbeiter, der gesamte arbeitsrechtliche Schutz: Es gibt also bezahlten Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und auch Kündigungsschutz. 

Kurstrainer in Studios sind nicht unternehmerisch tätig

Über die sozialversicherungsrechtliche Einstufung von Kurstrainern hatte jüngst Landessozialgericht (LSG) Bayern (v. 18.8.2023, Az.: L 7 BA 72/23 B ER) zu entscheiden:

Im konkreten Fall erbrachten die Kurstrainer die Kurse in den Kursräumen eines Fitnessstudios. Eigene „Arbeitsmittel“ hatten sie kaum, nutzten also Musikanlage, Hanteln, Matten und weitere Gegenstände des Studios. Kursteilnehmer waren ausschließlich Kunden des Fitnessstudios, eine eigene Kundenakquise erfolgte durch die Kurstrainer nicht.

Tätig waren die Kurstrainer auf Grundlage eines Vertrags über „freie Mitarbeit“. Bei einer Betriebsprüfung durch die Rentenversicherung wurde diese Gestaltung moniert. Tatsächlich seien die Kurstrainer abhängig Beschäftigte, so die Rentenversicherung. Diese erließ sodann einen Bescheid zur Nachzahlung von Sozialversicherungsabgeben nebst Säumniszuschlägen im hohen fünfstelligen Bereich. Dagegen setzte sich das Fitnessstudio zur Wehr. 

Landessozialgericht: Regelvermutung abhängiger Beschäftigung

Die rechtliche Einstufung als abhängig Beschäftigte bestätigte in seiner aktuellen Entscheidung auch das LSG: Eine abhängige, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung sei bei einem Tätigwerden in einem fremden Betrieb gegeben, wenn der Beschäftigte eingegliedert sei und dabei einem umfassenden Weisungsrecht unterliege. Eine selbständige Tätigkeit sei durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.

Hier seien die Trainer ohne unternehmerische Gestaltungsspielräume tätig geworden. Sie hätten ihre Arbeitskraft zu einem fest vereinbarten Stunden-/Minutensatz verwertet.

Existenzbedrohende Risiken bei nachträglicher Korrektur

Fachanwalt Fuhlrott weist auf die erheblichen Gefahren derartiger nachträglicher Korrekturen hin: „Wird ein vermeintlich freier Mitarbeiter im Nachhinein als abhängig Beschäftigter eingestuft, drohen Nachzahlungen von Sozialversicherungsabgaben nebst Säumniszuschlägen für die letzten Jahre in erheblicher Höhe. Neben dem Arbeitgeberanteil muss auch der Arbeitnehmeranteil abgeführt werden. Diese Nachforderungen können existenzbedrohend sein.“

Ein Regress beim Beschäftigten schulde zudem regelmäßig aus. Überdies drohe auch die Einleitung eines Strafverfahrens wegen der Nichtabführung von Sozialabgaben.

Entscheidung kein Einzelfall

Arbeitsrechtler Fuhlrott sieht in der Entscheidung keinen Einzelfall, sondern eine Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung:

„Gerichte haben bereits in der Vergangenheit in Studios eingesetzte Fitnesskurstrainer als abhängig Beschäftigte qualifiziert. Ein anderes Ergebnis dürfte nur dann in Betracht kommen, wenn signifikante Einwirkungsmöglichkeiten der Trainer entweder auf die Gestaltung der Kurse oder bei den Vergütungsleistungen (z. B. Bezahlung nach Teilnehmeranzahl) gegeben sind.“

Daran fehle es in den meisten Fällen, so der Hamburger Arbeitsrechtler. Oftmals dürfte daher gelten: Wer, sei es als Trainer, als Pflegekraft oder IT-Mitarbeiter in den Räumen des Auftraggebers und mit dessen Betriebsmitteln eingebunden tätig ist, ist kein freier Mitarbeiter. Kommt es zu einer Betriebsprüfung oder zu einem Rechtsstreit mit dem vermeintlich „freien Mitarbeiter“, besteht damit ein erhebliches Risiko für Unternehmen.

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