(Kiel) Mit (noch nicht rechtskräftigem) Urteil vom 19. Juni 2024 (Aktenzeichen 1 K 1219/21) hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz (FG) entschieden, dass sich mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20. Februar 2013 (BGBl I 2013, 285) nur der Begriff der „Arbeitsstätte“ und nicht auch der Begriff der „Betriebsstätte“ geändert habe.
Das FG hat die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen, (u.a.) weil das FG von der Auffassung des BMF abgewichen ist (Revision inzwischen anhängig unter dem Aktenzeichen VIII R 15/24).
Darauf verweist der Kieler Steuerberater Jörg Passau, Vizepräsident und geschäftsführendes Vorstandsmitglied der DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. in Kiel unter Hinweis auf die entsprechende Pressemitteilung des FG vom 24.07.2024.
Der Kläger erzielte in den Streitjahren 2016 bis 2018 als IT-Berater Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Seine Tätigkeit übte er an vier Tagen pro Woche am Sitz seines (einzigen) Kunden aus. In seinen Einkommensteuererklärungen machte er Aufwendungen für die Fahrten von seiner Wohnung zum Kunden und zurück als Betriebsausgaben geltend, und zwar nach Dienstreisegrundsätzen (0,30 €/km für Hin- und Rückfahrt) und nicht mit der Entfernungspauschale (0,30 €/km für die Entfernung zwischen Wohnung und Betrieb des Kunden).
Das beklagte Finanzamt hingegen folgte der Auffassung des Bundesministeriums der Finanzen (BMF-Schreiben vom 23. Dezember 2014, BGBl I 2015, 26) und vertrat die Auffassung, dass dem Begriff der „ersten Tätigkeitsstätte“ in § 9 EStG, der durch das Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20. Februar 2013 (BGBl I 2013, 285) eingeführt wurde, auch Bedeutung für die Auslegung des Begriffs der „Betriebsstätte“ in § 4 Abs. 5 EStG zukomme. Der Kläger habe bei seinem Kunden seine „erste Tätigkeitsstätte“, so dass nur die Entfernungspauschale von 0,30 € anzusetzen sei.
Die dagegen gerichtete Klage des Klägers hatte keinen Erfolg.
Das FG vertrat zwar – anders als das beklagte Finanzamt – die Auffassung, dass die gesetzlichen Anforderungen an eine „erste Tätigkeitsstätte“ im Sinne des § 9 EStG (neue Fassung) im vorliegenden Fall aus mehreren Gründen nicht erfüllt seien. Die „Betriebsstätte“ sei allerdings nicht unter Rückgriff auf den durch die Neuregelung eingeführten Begriff der „ersten Tätigkeitsstätte“ zu bestimmen, sondern weiterhin auf der Grundlage der bisherigen Auslegung des Betriebsstättenbegriffs durch die BFH-Rechtsprechung.
Danach sei im vorliegenden Fall der Sitz des (einzigen) Kunden des Klägers als seine Betriebsstätte anzusehen, so dass er seine Fahrtkosten zwischen Wohnung und Betriebsstätte nur in Höhe der Entfernungspauschale als Betriebsausgaben geltend machen könne. Die Wohnung des Klägers bzw. sein häusliches Arbeitszimmer stelle keine Betriebsstätte dar.
Das FG hat die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen, weil noch keine Entscheidung des BFH zu der hier streitigen Frage vorliegt. Zudem ist das FG von der Auffassung des BMF im Schreiben vom 23. Dezember 2014 (BGBl I 2015, 26) abgewichen, wonach die Bestimmung des Begriffs der „Betriebsstätte“ unter Rückgriff auf § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG erfolgen soll. Inzwischen hat der Kläger Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH VIII R 15/24).
Passau empfahl, dies zu beachten und bei Fragen auf jeden Fall Rechtsrat einzuholen, wobei er in diesem Zusammenhang u. a. auch auf die DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. – www.mittelstands-anwaelte.de – verwies.
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