(Kiel) Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass ein auf unbestimmte Zeit geschlossener DDR-Altmietvertrag über Wohnraum, der hinsichtlich einer Beendigung des Mietverhältnisses auf die Vorschriften des Zivilgesetzbuchs der Deutschen Demokratischen Republik Bezug nimmt, seitens des Vermieters gegen den Willen des Mieters wegen Eigenbedarfs seit dem Wirksamwerden des Beitritts der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) zur Bundesrepublik Deutschland nach Maßgabe der Übergangsvorschrift des Art. 232 § 2 EGBGB in Verbindung mit den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs gekündigt werden kann.

Darauf verweist der Nürnberger Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Oliver Fouquet, Vizepräsident des VBMI – VERBAND DEUTSCHER ANWÄLTE für Bau-, Miet- und Immobilienrecht e. V. mit Sitz in Kiel, unter Hinweis auf die Mitteilung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 16.12.2024 zu seinem Urteil vom 13. November 2024 – VIII ZR 15/23.

  • Sachverhalt:

Die Beklagten sind aufgrund eines im Juli 1990 mit dem Volkseigenen Betrieb (VEB) Kommunale Wohnungsverwaltung Prenzlauer Berg geschlossenen Formularmietvertrags Mieter einer Dreizimmerwohnung im früheren Ost-Berlin. Der Mietvertrag ist auf unbestimmte Zeit geschlossen.

Im Mietvertrag ist – in Anlehnung an die seinerzeit in Ost-Berlin noch geltende Vorschrift des § 120 des Zivilgesetzbuchs der Deutschen Demokratischen Republik (ZGB-DDR) – bestimmt, dass das Mietverhältnis entweder durch Vereinbarung der Vertragspartner, durch Kündigung seitens des Mieters oder durch gerichtliche Aufhebung endet.

Der Kläger ist aufgrund Eigentumserwerbs auf Vermieterseite in das Mietverhältnis eingetreten. Er erklärte im Jahr 2020 und erneut im Jahr 2022 die Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs.

  • Bisheriger Prozessverlauf:

Mit der Klage begehrt der Kläger die Räumung und Herausgabe der Wohnung. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben.

Das Landgericht hat auf die Berufung der Beklagten das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die vom Kläger wegen Eigenbedarfs erklärten Kündigungen das Mietverhältnis nicht beendet hätten. Die im Mietvertrag getroffene Regelung zur Vertragsbeendigung nehme auf die Vorschriften der §§ 120 ff. ZGB-DDR Bezug und stelle damit eine Eigenbedarfskündigung des Vermieters unter die – im früheren § 122 Abs. 1 ZGB-DDR enthaltene – weitere Wirksamkeitsvoraussetzung, dass der Vermieter die Wohnung aus gesellschaftlich gerechtfertigten Gründen „dringend“ benötige. Eine solche vertragliche Regelung sei weiterhin wirksam. Die vom Kläger für einen Eigenbedarf angeführten Belange erfüllten diese verschärfte Kündigungsvoraussetzung indessen nicht.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

  • Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Die Revision des Klägers hatte Erfolg. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die vom Berufungsgericht für die Klageabweisung gegebene Begründung keinen Bestand haben kann.

Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts setzt eine vom Kläger erklärte Eigenbedarfskündigung des DDR-Altmietvertrags zu ihrer Wirksamkeit nicht voraus, dass der Kläger die betreffende Wohnung „aus gesellschaftlich gerechtfertigten Gründen ‚dringend‘ benötigt“. Vielmehr bestimmen sich die Voraussetzungen einer solchen Eigenbedarfskündigung nach Maßgabe der Übergangsvorschrift des Art. 232 § 2  EGBGB (allein) nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Damit ist der vom Kläger geltend gemachte Eigenbedarf anhand der Vorschrift des § 573 Abs. 2  Nr. 2 BGB zu beurteilen und liegt vor, wenn der Kläger die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt.

Höhere Anforderungen gelten vorliegend nicht deshalb, weil der – noch unter der Geltung des ZGB-DDR geschlossene – Formularmietvertrag der Parteien auf die Vorschriften des ZGB-DDR und deren abweichenden Regelungsgehalt abstellt. Denn der (bundesdeutsche) Gesetzgeber hat im Zusammenhang mit dem Wirksamwerden des Beitritts für das Gebiet der DDR die Befugnis des Vermieters zur Beendigung eines bestehenden Wohnraummietvertrags gegen den Willen des Mieters durch die spezielle gesetzliche Vorschrift in Art. 232 § 2 EGBGB und die darin angeordnete Geltung der (mietrechtlichen) Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs – für eine Übergangszeit modifiziert durch besondere, auf einer umfassenden Abwägung der Interessen von Vermieter und Mieter beruhende Schutzvorschriften – vollständig und abschließend geregelt. Mit dieser Regelungssystematik sowie mit dem sich aus den Gesetzesmaterialien ergebenden Sinn und Zweck der gesetzlichen (Übergangs-) Bestimmungen wäre es nicht vereinbar, wäre gleich- oder sogar vorrangig zu diesen eine aus der Zeit vor dem Beitritt stammende, in einem DDR-Altmietvertrag enthaltene Regelung der Parteien zur Beendigungsbefugnis des Vermieters maßgeblich, welche – wie im Streitfall – demgegenüber auf die frühere Rechtslage abstellt.

Daher hat der VIII. Zivilsenat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit dieses die erforderlichen Feststellungen dazu treffen kann, ob der von dem Kläger geltend gemachte und von den Beklagten bestrittene Eigenbedarf – bei Anwendung des zutreffenden rechtlichen Maßstabs der Vorschrift des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB – vorliegt.

Fouquet empfahl daher, dies zu beachten und bei Fragen auf jeden Fall Rechtsrat einzuholen, wobei er in diesem Zusammenhang u. a. auch auf den VBMI – VERBAND DEUTSCHER ANWÄLTE für Bau-, Miet- und Immobilienrecht e. V. – www.VBMI-Anwaltsverband.de  – verwies.

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Oliver Fouquet
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Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Vizepräsident des VBMI VERBAND DEUTSCHER ANWÄLTE für Bau-, Miet- und Immobilienrecht e.V.

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