Wenn eine schwangere Mitarbeiterin oder ihr ungeborenes Kind am Arbeitsplatz einer unverantwortbaren Gefährdung ausgesetzt ist, kann laut Mutterschutzgesetz ein Beschäftigungsverbot notwendig werden. Dieses kann sich entweder aus der Art der Tätigkeiten oder aus dem gesundheitlichen Zustand der Schwangeren ergeben.
Das Beschäftigungsverbot für werdende Mütter ist unterteilt in das generelle und individuelle Beschäftigungsverbot. Wann es gilt, was Arbeitgeber durch Corona beachten müssen und welche Pflichten sie haben:
Was ist das betriebliche Beschäftigungsverbot?
Das betriebliche oder auch generelle Beschäftigungsverbot folgt daraus, dass die Tätigkeit oder der Arbeitsplatz zu gefährlich für die Schwangere oder ihr ungeborenes Kind sind. Im Mutterschutzgesetz sind Tätigkeiten oder Umstände angeführt, die ein Beschäftigungsverbot begründen können.
Bevor es dazu kommt, gibt es laut Sandra Sfinis, Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Luther in Köln, mehrere Stufen: „Auf der ersten Stufe muss der Arbeitgeber versuchen, die Arbeitsbedingungen anzupassen, sodass eine Gefährdung der Schwangeren ausgeschlossen ist. Auf der zweiten Stufe muss er sie auf einem anderen Arbeitsplatz einsetzen, wenn dies möglich ist. Erst auf der dritten Stufe greift das Beschäftigungsverbot.“
Es sei Aufgabe des Arbeitgebers zu prüfen, ob eine Gefährdung am Arbeitsplatz vorliegt; die schwangere Mitarbeiterin muss sich laut Sfinis nicht darum kümmern.
„Das generelle Beschäftigungsverbot ist unabhängig von dem individuellen Zustand der Arbeitnehmerin“, erklärt die Rechtsanwältin Josefine Chakrabarti von der Kanzlei Gleiss Lutz in Berlin. Dabei gehe es ganz allgemein um mögliche Gefährdungen durch die Arbeit selbst.
Zu diesen Gefährdungen nach dem Mutterschutzgesetz (MuSchG § 11) gehören unter anderem:
gefährliche Stoffe wie Dämpfe, Gase, Strahlen oder Staub
besonders schwere körperliche Arbeiten
Arbeiten in extremer Hitze, Kälte oder Nässe
ständiges Stehen
Nachtarbeit zwischen 20 und 6 Uhr
Arbeit an Sonn- und Feiertagen
Was ist das ärztliche Beschäftigungsverbot?
Im Gegensatz dazu ist das individuelle oder ärztliche Beschäftigungsverbot unabhängig vom Arbeitsplatz der Frau. Entscheidend ist hier die gesundheitliche Verfassung der Mitarbeiterin oder ihres ungeborenen Kindes. Gefährdet es Leben oder Gesundheit der beiden, wenn die werdende Mutter weiterarbeitet, kann der Arzt ein individuelles Beschäftigungsverbot aussprechen.
„Das individuelle Beschäftigungsverbot gilt sofort ab der Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses“, sagt Sfinis. Anders als bei einer Arbeitsunfähigkeit kommt es nur infrage, wenn die Beschwerden mit der Schwangerschaft zusammenhängen. Krankheiten, die unabhängig von der Schwangerschaft auftreten, können nicht zu einem Beschäftigungsverbot führen. Ein ärztliches Beschäftigungsverbot ist für die Mitarbeiterin und den Arbeitgeber bindend.
Zweifelt der Arbeitgeber ein ärztliches Zeugnis an, kann er auf eigene Kosten eine erneute Untersuchung beantragen. „Die Schwangere kann sich den Arzt aussuchen, der die Untersuchung durchführt“, so Sfinis. Chakrabarti erklärt außerdem: „Der Arbeitgeber hat das Recht, beim Arzt nachzufragen, warum dieser der Meinung ist, dass ein individuelles Beschäftigungsverbot auszusprechen sei.“ Dieser müsse jedoch trotzdem die ärztliche Schweigepflicht wahren.
Welche gesetzlichen Schutzfristen gelten außerdem?
Unabhängig vom Beschäftigungsverbot sind die im Mutterschutzgesetz verankerten Schutzfristen. Sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Entbindung darf eine schwangere Frau nicht arbeiten.
Mehr dazu hier: Elternzeit und Mutterschutz: Das müssen Arbeitgeber beachten
Grundsätzlich sei es möglich, dass die Schwangere in den sechs Wochen vor der Entbindung arbeitet, sagt Sfinis. Jedoch nur, wenn sie das ausdrücklich selbst möchte. „Sie kann diese Einwilligung auch jederzeit zurückziehen.“ In den acht Wochen nach der Entbindung sei es der Arbeitnehmerin nicht möglich, zu arbeiten, auch nicht mit ihrer Einwilligung.
Ist das Beschäftigungsverbot zeitlich begrenzt?
Die Dauer des Beschäftigungsverbots in der Schwangerschaft ist nicht begrenzt. Sandra Sfinis: „Es kann sein, dass das Beschäftigungsverbot die gesamte Schwangerschaft hindurch gilt, wenn das ärztliche Zeugnis das anordnet oder der Arbeitgeber keinen sicheren Arbeitsplatz zur Verfügung stellen kann.“
Welche Sonderregelungen gelten wegen Corona?
Das Coronavirus kann laut den Empfehlungen des Ausschusses für Mutterschutz beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eine Gefahr für Schwangere darstellen. Der Arbeitgeber muss den Arbeitsplatz daher auch im Hinblick auf eine Infektionsgefährdung beurteilen und ggf. die Arbeitsbedingungen anpassen.
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„Führen Schwangere Tätigkeiten aus, bei denen sie in Kontakt mit infizierten Personen oder mit vielen verschiedenen Personen kommen, kann dies eine erhöhte Infektionsgefährdung begründen und eine Anpassung der Arbeitsbedingungen notwendig machen“, so Chakrabarti. Dazu kann zum Beispiel das Arbeiten an der Supermarktkasse, in Pflegeheimen oder die Kinderbetreuung in der Schule oder Kindertagesstätte gehören.
Welche Auswirkungen haben Gefahren auf dem Arbeitsweg?
Mitunter kann es auf dem Arbeitsweg zur Gefährdung der Schwangeren kommen, zum Beispiel im Winter durch glatte Straßen. „Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der Arbeitsweg zum Verantwortungsbereich der Arbeitnehmerin gehört“, erklärt Josefine Chakrabarti.
Wenn dort also eine Gefahr vorliegt, beispielsweise durch Glätte, stelle dies keinen Grund für ein Beschäftigungsverbot dar.
Hat ein Beschäftigungsverbot Auswirkungen auf den Urlaubsanspruch?
Das Beschäftigungsverbot hat laut Mutterschutzgesetz keine Auswirkungen auf den Urlaub einer Mitarbeiterin. Bei der Berechnung der Urlaubstage zählt die ausgefallene Zeit als Arbeitszeit.
Wer zahlt das Gehalt während eines Beschäftigungsverbots?
Während eines Beschäftigungsverbots zahlt der Arbeitgeber einen sogenannten Mutterschutzlohn. Dieser liegt beim durchschnittlichen Lohn der letzten drei Monate vor der Schwangerschaft. „Dieses Geld erhält der Arbeitgeber in voller Höhe von der Krankenkasse zurück, wenn er einen Erstattungsantrag stellt“, sagt Arbeitsrechtlerin Sfinis.
Während der gesetzlichen Schutzfristen, also in den sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt, zahlt die Krankenkasse das sogenannte Mutterschaftsgeld. „Das sind bei gesetzlich Versicherten maximal 13 Euro pro Kalendertag. Der Arbeitgeber stockt das Mutterschaftsgeld auf das durchschnittliche Nettoentgelt der letzten drei Monate auf“, erklärt Chakrabarti. Auch diese Ausgaben könne sich der Arbeitgeber von der Krankenkasse erstatten lassen.
Wie lange gilt der Kündigungsschutz?
Es ist vorbehaltlich der Zustimmung der zuständigen Aufsichtsbehörde verboten, eine Mitarbeiterin während der Schwangerschaft zu kündigen – unabhängig davon, ob ein Beschäftigungsverbot besteht oder nicht. Erst vier Monate nach der Entbindung entfällt der besondere Kündigungsschutz.
Aber: „Die wenigsten Arbeitnehmerinnen nehmen nur den gesetzlichen Mutterschutz in Anspruch. Viele gehen im Anschluss in die Elternzeit, während der ebenfalls ein besonderer Kündigungsschutz besteht“, sagt Chakrabarti.
Was gilt, wenn die Mitarbeiterin einen befristeten Vertrag hat?
Ein befristeter Vertrag wird durch ein Beschäftigungsverbot nicht beeinflusst.
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